Schreibstile - meine Philosophie

Einige Gedanken zu der Frage:

"Was macht einen guten Schreibstil aus?"

 

Der Schreibstil sollte sich der Geschichte unterordnen.


Ich würde die Qualität eines Autoren vor allem daran festmachen, ob und wie er es schafft, seine Geschichte mit der "richtigen" Sprache aufzuwerten. Das bedeutet dann auch, dass sich der Stil eines Autoren ständig ändern kann / muss / sollte. Je nach Geschichte eben. 

 

Was bedeutet das im Detail?

 

 

Ausdrucksweisen / Slang:

Moderne Ausdrucksweisen haben meiner Meinung nach nichts in einem historischen Roman zu suchen. Aber es wäre wohl zu viel des Guten, wenn jedes zweite oder dritte Wort aus dem Mittelhochdeutschen (Quelle) entlehnt wird, um die Authenzität zu erhöhen. Dann wäre ich mehr mit Wiki und Co. beschäftigt, als mit der eigentlichen Geschichte. Dazu hätte ich, ehrlich gesagt, eher wenig Lust.

Ebenso würde es mich sehr verwirren, wenn ich einen Protagonisten vorgesetzt bekomme, der aufgrund seines Alters oder seiner sozialen Schicht keine Fachausdrücke kennen kann, sie aber inflationär zum Besten gibt. Andersherum kenne ich persönlich Professoren, die sich einen Spaß daraus machen, "Slang" zu reden - kommt allerdings ganz darauf an, wo sie sich befinden. Auf einer Tagung werden sie es sich verkneifen. Also nen Prof., der sich in Kanak-Sprak (Quelle) auf einem Symposium präsentiert, fände ich zumindest irritierend.


Zeitform:

Komme ich zur Wahl des Tempus (Quelle):
Es ist so üblich, Romane im Präteritum (Vergangenheit) zu verfassen. Wir haben uns daran gewöhnt und es scheint zumindest mir im ersten Moment irritierend, wenn sich daran etwas ändert.
Dabei gäbe das Präsens (Gegenwart) dem Leser die Möglichkeit näher am Geschehen zu sein. Ich habe als Beispiel das Buch "Dein Wille geschehe" von Michael Robotham (Link) in guter Erinnerung.

Eine Geschichte, die überwiegend im Perfekt (vollendete Gegenwart; "er hat gestritten") oder gar Plusquamperfekt (vollendete Vergangenheit; "er hatte gestritten") verfasst ist, strengt mich persönlich zu sehr an. Wenn das ganze Spiel mehr als drei oder vier Seiten geht, klappe ich das Buch für alle Ewigkeit zu. Und dass ich eine Geschichte nicht beende passiert höchst selten.


Erzählperspektive:

Die Wahl des Erzählers ist meiner Meinung nach reine Geschmackssache.
Handelt es sich um eine Perspektive aus der ersten Person Singular ("ich"), so bringt dies den Leser auf die Augenhöhe des Protagonisten. Das kann Vorteile haben. Ich persönlich liebe diese Möglichkeit der erleichterten Identifikation.
Die Nachteile sind allerdings auch nicht von der Hand zu weisen: Zum einen ist die Geschichte / der Roman dazu verdammt (ausschließlich) aus Sicht des Protagonisten erzählt zu werden. Zum anderen fällt es dem Leser schwerer sich objektiv mit den Handlungen / Gedanken des Protagonisten auseinander zu setzen. Gerade Letzteres kann in einem (intelligent) durchdachten Roman seinen ganz besonderen Reiz haben.

Die dritte Person Singular ("er" / "sie" / "es") ist die übliche Vorgehensweise. Die meisten Leser sollten daran gewöhnt sein. Mir persönlich ist sie "zu weit weg".

Dann gibts noch den "allwissenden" Erzähler. Das ist die Form des Erzählers, der über alles und jeden Bescheid weiß, und zudem in der Lage ist, die Gedanken unterschiedlicher Personen zu "sehen" und dem Leser mitzuteilen. Nun ja... das würde mir persönlich ordentlich auf den Geist gehen. Es nimmt meine Meinung nach einfach die Spannung des "Unwissens".
Aber wer weiß? Vielleicht gibt es gute Bücher, die mit dieser Art des Erzählers ausgestattet sind? Falls jemand ein gutes Beispiel an der Hand hat, würde ich mich über Rückmeldung freuen.

 

 

Reschtpsreipung:

Ich könnte jetzt so tolerant tun und behaupten, dass mich Rechtschreibung nicht interessiert und es ausschließlich auf die Geschichte ankommt. Zumal ich mich in meiner Jugend mit Legasthenie (Quelle) herumschlagen "durfte". Aber die Wahrheit ist: eine übermäßig falsche Orthographie (Quelle) macht mich rasend! Dann kann ich mich nicht mehr auf den Roman / die Geschichte / den Text konzentrieren. In der heutigen Zeit ist es doch nicht zu viel verlangt das eine oder andere Rechtschreibprogramm über das Manuskript laufen zu lassen.
Über Kommata kann / darf ich mich nicht beschweren: die streu ich selbst nach Gutdünken ein. Ich würde es wohl nicht einmal merken, wenn damit im Roman / Buch etwas falsch gelaufen ist.


Satzbau:

Wenn man einen Vortrag halten möchte (der besonders effektiv ist, wenn er "frei" gesprochen wird), dann bieten sich folgende Richtlinien an:

"Ein Satz eine Aussage"

und

"Subjekt, Prädikat, Objekt".
Gegenteilig sehe ich das allerdings in einer Geschichte. Da darf es meiner Ansicht nach ruhig auch Schachtelsätze geben. Ein, zwei Nebensätze bringen etwas Abwechslung in den Lesefluss. Solange es nicht übertrieben wird. Sätze, die locker eine ganze Seite alleine rocken, lassen mich beim Lesen gern mal ins Stocken geraten. Das empfinde ich als störend.
Andererseits machen mich kurze Sätze "atemlos" - und bieten daher eine wunderbare Möglichkeit schnelle Handlungsabläufe herauszuheben. Ein angemessener Mix aus beidem würde ich demnach begrüßen - je nach Situation eben.


Adjektive:

Oder wie man in der Grundschule so gern sagt: Wie-Worte (Quelle). Sie sind für mich das Salz in der Suppe. Sofern sie nicht inflationär verpulvert werden. Die als angenehm empfundene Häufigkeit der Adjektive ist allerdings reine Geschmackssache.
Ein Beispiel (schauen Sie doch mal selbst, wann Ihnen die Anzahl der verwendeten Adjektive auf den Keks geht):
Der Hund
Der struppige Hund
Der struppige, stinkende Hund
Der struppige, stinkende, humpelnde Hund
Der struppige, stinkende, humpelnde, dreckige Hund
Der struppige, stinkende, humpelnde, dreckige, ungepflegte Hund
[...]
Hund "ohne alles" ist mir persönlich zu wenig, um mir eine Vorstellung von dem Vierbeiner zu machen. Allerdings brauche ich nicht unendlich viele Adjektive (die sich in ihrer Bedeutung zudem überschneiden können), um mir ein Bild zu machen. Zu viele Wie-Wörter stoßen mich ab und vermitteln mir das "Geschmäckle" von Groschenromanen.


Recherche:

Im weitesten Sinne mit "Stil" hat meiner Meinung nach auch ein fundiertes Wissen um den Schauplatz / die Zeit / die Menschen / die Flora und Fauna [...] eines Romanes zu tun.
Während es offensichtliche Fehler gibt, die jedem Laien auffallen dürften, gibt es auch Missgeschicke, die dem Fachkundigen übel aufstoßen werden.
Zur Verdeutlichung bemühe ich zwei Beispiele:
"Robert schlich um die Ecke und sah den Big Ben über den Louvre hinaus ragen." --> offensichtlicher Fehler. Aber sowas von!
Würde ich einen Roman über Australien vor 5000 Jahren lesen und da stünde etwas über Canis lupus dingo, würde ich mich fragen, ob sich der Autor nicht eventuell um 500 bis 1000 Jahre vertan haben könnte. (Mal ganz davon abgesehen, dass man sich über die Taxonomie (Erklärung) des Dingos noch streitet ... und an Carl von Lineé noch gar nicht zu denken war ...)

Je nach angestrebtem Publikum sollte sich also entsprechend Zeit genommen werden, sich mit den Details des Romanes auseinander zu setzen.

Vielleicht existieren deshalb so viele Fantasy-Geschichten? Zumindest die Recherche macht in Fantasy-Romanen in der Regel eher weniger Arbeit. ;-)

 

 

Zusammenfassend:

Der Schreibstil ist von der zu erzählenden Geschichte abhängig. Ein guter Autor ist in der Lage, seinen Stil den zugrunde liegenden Erfordernissen anzugleichen.


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